BND-Reform ist eine Katastrophe

Antwort der Bundesregierung auf die Snowden-Enthüllungen: BND-Reform eine Katastrophe

Am Freitag wird die Bundesregierung die BND-Reform beschließen. Jeder, der die Enthüllungen um Snowden, die NSA und auch den BND der letzten Jahre mitbekommen hat, würde jetzt erwarten, dass der BND endlich an die kurze Leine genommen wird. Doch anscheinend haben wir alle diese Entwicklungen falsch interpretiert. Wenn der BND mindestens illegal und höchstwahrscheinlich sogar verfassungswidrige Überwachung im Inland betreibt heißt das offenbar nicht, man müsste ihn stärker kontrollieren. Stattdessen hat der BND dann anscheinend nicht genügend Befugnisse.

Nur zur Erinnerung, der BND ist ein Auslandsnachrichtendienst, dem aus den bitteren Erfahrungen der NS-Zeit mit gutem Grund die Rechtsgrundlage für Inlandsspionage entzogen wurde. Dank Snowden wissen wir nun, dass er es damit freilich nicht so ernst genommen hat. So definierte er den Internetknoten DE-CIX in Frankfurt kurzerhand zu „virtuellem Ausland“ und umging dadurch die fehlende Rechtsgrundlage.

Auch die Beschränkung auf 20% der Kapazität der abgehörten Leitung ignorierte der BND wie selbstverständlich – was sollen auch solche anstrengenden Gesetze, die den BND in seiner Datensammelwut behindern? Immerhin braucht er diese Daten ja, um uns vor Terroranschlägen zu schützen…

Obwohl… sucht mal nach „BND verhindert Anschlag“ – ihr werdet erstaunt sein, aber der BND hat im Inland noch nicht einen Anschlag verhindert. Überwachungsfetischisten werden jetzt sagen, die hätten ja auch zu wenig Befugnisse – mein Tipp: Die Suche nach Informationen über Terroristen im Netz ist die Suche nach der Nadel im Heuhaufen und der BND schreit: Mehr Heu!

Hier nun der Plan der Bundesregierung:

  1. Der BND darf ab sofort auch im Inland spionieren, wahrscheinlich damit der BND sich nicht von alten Gewohnheiten trennen muss. Sowas ist immer mit so viel Arbeit verbunden.
  2. Die Begrenzung auf 20% der Kapazität wird aufgehoben – Der BND hat sich sowieso nicht dran gehalten, also warum noch Mühe geben. Und wo die Bundesregierung schon dabei ist, weitet sie die Befugnisse des BND vom Abhören einzelner Glasfaserkabeln einfach mal auf ganze Kommunikationsnetze aus. Damit kann der BND z.B. das gesamte Netz der Telekom abhören, das spart natürlich Zeit und vergrößert den Berg aus Heu gewaltig.
  3. Störend sind natürlich auch diese Beschränkungen, wann überhaupt abgehört werden darf. Deswegen gibt es im neuen, besseren BND-Gesetz jetzt so tolle Formulierungen wie „Gefahren für die innere und äußere Sicherheit der BRD“ oder „sonstige Erkenntnisse von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung“. Mit solchen Gummiparagrafen lässt es sich viel besser überwachen.
  4.  Yeah, Metadaten. Man kann zwar nicht sehen, was du schreibst, dafür aber wann, wo, mit wem, wie viel, auf welchen du surfst, was dich interessiert. Mit moderner Technik kann man so ziemlich unser ganzes Leben analysieren. Wenig verwunderlich, dass den BND das auch sehr interessiert und er  nun anlasslos 6 Monate lang genau diese Daten speichern darf. Mehr Heu!
  5. Und weil die Zusammenarbeit in der Vergangenheit so gut geklappt hat und unsere Freunde von der NSA sonst böse werden, darf der BND jetzt auch offiziell diese Daten automatisch und massenhaft weiterleiten. Und noch eine illegale Tätigkeit des BND legalisiert, aller guten Dinge sind drei. Heutzutage sind das übrigens 1,3 Milliarden Metadaten im Monat. Ein wirklich, wirklich großer Berg aus Heu.
  6. Zu guter letzt muss die Bundesregierung ihre Reform ja noch verkaufen. Bisher gibt es drei Kontrollgremien für den BND. Sie haben Einblick in Teilbereiche des BND und erfahren nur, was der BND für relevant hält. Achja, und über ihre Erkenntnisse reden dürfen sie mit der Öffentlichkeit natürlich auch nicht – absolut wirkungslos also. Was liegt da näher, als ein viertes Kontrollgremium zu schaffen? Dieses wird übrigends von der Bundesregierung ernannt – ja, genau die Bundesregierung, der der BND unterstellt ist. Ein Schelm, wer da was Böses denkt.

„Wir werden nicht zulassen, dass technisch manches möglich ist, aber der Staat es nicht nutzt.“

Angela Merkel


Zugegeben, der BND benötigt eine sogenannte G-10-Anordnung, wenn er Deutsche abhören will. Doch wer hätte es erwartet: Es ist unmöglich, im Rahmen von Massenüberwachung herauszufinden, ob Pakete aus dem In- oder Ausland stammen. Es hätte mich auch sehr gewundert, wenn der Bundesregierung solch ein Schnitzer unterlaufen wäre.

Man kann also zusammenfassen: Nach den schockierenden Enthüllungen Snowdens wird nun legalisiert, wo der BND früher das Gesetz gebrochen hat. Schon jetzt ist klar, das neue Gesetz wird vor dem Verfassungsgericht landen. Doch bis dahin wird der BND spionieren: Mehr, öfter und massenhaft. Während die Menschen nach Snowdens Enthüllungen Auklärung forderten, arbeitet die Regierung daran, den BND zur deutschen NSA zu machen.

Es wäre lustig, ginge es dabei nicht um unser aller Privatssphäre. Wir haben ein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Wir dürfen selbst entscheiden, wer, wann, wo unsere Daten bekommt und wer nicht. Einschränkungen von staatlicher Seite sind nur im Sinne der Allgemeinheit nach einer richterlichen Anordnung und mit darauffolgender Benachrichtigung des Ausgespähten möglich.

Und das ist gut so. Das Internet ist zu einem sehr privaten Ort geworden, wir suchen nach Dingen, die uns bewegen. Wir schreiben mit Freunden und Bekannten über sehr private Dinge. Wir engagieren uns eventuell politisch im Netz oder betreiben investigativen Journalismus. Wir geben viel von uns preis, unsere Meinungen, Gefühle, Interessen. Das Internet ist eine Erweiterung unserer Privatsphäre und ein Ort unserer privaten Gedanken. Deshalb ist der Schutz dieser Privatsphäre auch so wichtig. Jeder Mensch hat Geheimnisse und jeder Mensch hat ein Recht auf Geheimnisse. Eine Regierung, die dieses Recht angreift, handelt grob fahrlässig und gegen die Interessen der Bevölkerung. Sie gefährdet Grundrechte wie Presse- und Meinungsfreiheit.


„Ich möchte nicht in einer Welt leben, in der alles, was ich sage, alles, was ich tue, aufgezeichnet wird. Das ist nichts, was ich bereit bin zu unterstützen. Das ist nichts, unter dem ich zu leben bereit bin.“
Edward Snowden


Und bevor ich Sätze wie „Ich habe keine Geheimnisse“ höre: Wenn du das wirklich denkst, schick eine Liste deiner Passwörter an mehr-datenschutz@posteo.org, du hast ja nichts zu verbergen. Dinge wie Metadaten klingen erstmal nicht so kritisch, solange der Inhalt unserer Kommunikation sicher ist. Doch Selbstversuche zeigen, wie viel diese kleinen Informationsschnipsel gesammelt über uns aussagen. Sie lassen eine umfassende Analyse unserer Person zu, unserer Gewohnheiten, unseres Tagesablaufs, unserer Interessen und unseres sozialen Umfelds. Aber ich kann euch beruhigen:

Niemand hat die Absicht, einen Überwachungsstaat aufzubauen.

 

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